Windkraftanlagen sind elementare Bausteine der Energiewende, sie sind aber auch hochumstritten. Geräusche, Schattenwürfe und andere Umweltauswirkungen reizen Anwohner zum Widerstand. Um die Akzeptanz zu erhöhen, werden gegenwärtig Anreiz-, Ausgleichs- oder Entschädigungszahlungen für Anwohner im näheren Umfeld einer Windkraftanlage diskutiert. So sollen Genehmigungsverfahren für neue Windparks oder einzelne Windkraftanlagen erleichtert werden, denn ein Genehmigungsverfahren ohne Bürgerinitiative ist heutzutage undenkbar.
Umso wichtiger ist ein praktikables Abnahmeverfahren, das den Anwohnern glaubwürdig belegt, dass der Betrieb einer Windkraftanlage im zulässigen Bereich liegt. Nach unserer Erfahrung ist die Abnahme der Schallwerte einer Windkraftanlage in der Praxis aber kaum möglich oder das Verfahren unbrauchbar.
Zum einen betrifft dies Schallimmissionsmessungen, die direkt an der nächstgelegenen Wohnbebauung durchgeführt werden – eigentlich eine sinnvolle Aufgabe, wenn da auch die tatsächlichen Anlagengeräusche messbar wären. Hier gibt es gleich mehrere Hürden: Abnahmemessungen dürfen nur bei Nennbetrieb einer Windkraftanlage, d.h. bei etwa 10 m/s Windgeschwindigkeit in Nabenhöhe durchgeführt werden, da deren Schallleistung mit zunehmender Drehzahl zunimmt. Das ist richtig viel Wind – auch am Messort. In allen Fällen, in denen wir Abnahme- oder Überwachungsmessungen von Windkraftanlagen direkt an der Wohnbebauung durchgeführt haben, herrschten so hohe Fremdgeräuschpegel durch wiegende Felder, Blätterrauschen oder Windgeräusche, dass die reinen Anlagengeräusche meist völlig überlagert wurden. Zudem soll natürlich bei Mitwindrichtung gemessen werden. Das gestaltet sich bei mehreren Messpunkten, die in unterschiedlichen Richtungen liegen, denkbar schwierig. Es müsste dann an mehreren Nächten – tags sind Vögel aktiv, der Verkehr ist störend – gemessen werden, immer bei 10 m/s Windgeschwindigkeit. Ungeachtet davon, dass eine belastbare Messung am Immissionsort aus Gründen der hohen Fremdgeräusche meist nicht möglich ist, würde dieses Verfahren mindestens 1 Jahr dauern.
Zum anderen geht es um Schallemissionsmessungen, also Messungen im Nahfeld der Windkraftanlagen zur Bestimmung deren Schallleistung. Auch diese Auflage wird im einen oder anderen Fall von Genehmigungsbehörden erteilt. Dabei ist dies ein Verfahren, das der Hersteller einer Windkraftanlage selbst schon durchlaufen hat, denn daraus ergibt sich der Schallleistungspegel einer Windkraftanlage. Was es nicht ergibt, ist deren Immissionswirkung an der betroffenen Bebauung. Diese Immissionswirkung ist aus der Prognose bekannt, sie sollte überprüft werden. In allen Fällen, in denen wir mit erheblichem Aufwand den in-situ-Schallleistungspegel einer Windkraftanlage überprüft haben, deckte sich der Wert mit dem vom Hersteller angegebenen Schallleistungspegel – mit einer Abweichung von maximal ± 1 dB. Eigentlich war das zu erwarten, da die Messvorschriften im Grunde die gleichen sind – einmal misst der Hersteller, das andere Mal der Gutachter. Die weitaus größere Unwägbarkeit liegt ja in der Schallausbreitung und letztlich in der Prognose, die im Rahmen des Genehmigungsverfahrens erstellt wird. Und über die Praktikabilität und Aussagekraft einer messtechnischen Verifizierung der prognostizierten Immissionspegel haben wir ja bereits oben gesprochen.
Welches Abnahmeverfahren ist geeignet? Keines der geltenden! Wir sind der Meinung, dass hier ein anderes Verfahren erforderlich ist, beispielsweise eine Immissionsmessung an (nur) einem näher gelegenen Ersatzmesspunkt bei einer Windgeschwindigkeit von deutlich weniger als 10 m/s, z.B. bei 5 m/s mit Hochrechnung der Schallleistung über die (immer bekannte) Kennlinie der Windkraftanlage und eine anschließende Umrechnung auf die betroffene Wohnbebauung. Bis die genannten Schwachstellen durch neue Regelungen ausgeräumt sind, wird unser Büro sehr zurückhaltend sein bei der Übernahme von Abnahme- und Überwachungsmessungen an Windkraftanlagen.